portrait post mortem

Tafelbild
Analog C-Print
80 x 110cm
gerahmt

Auflage: 7+2

Am 4. Juli 1833 besuchen Joseph Nicéphore Niépce und seine Frau auf Einladung ihres Sohnes Isidore eine Vorstellung des Théâtre de la rue au Fêvre in Chalon-sur-Saône. Auf dem Spielplan steht die Oper Robert le Diable von Giacomo Meyerbeer. Das Bühnenbild der Aufführung stammt übrigens vom bekannten Bühnenbildner Pierre-Luc Charles Cicéri, bei dem Jaques Louis Daguerre sein Handwerk gelernt hat.
Am nächsten Tag, dem 5. Juli 1833, segnet der Mann das Zeitliche, dem wir die Photographie verdanken. An diesem Tag gibt es in Frankreich weder eine Rue Niépce noch einen Parque Niépce. Erst sechs Jahre später kommt es 1839 in Paris zur Sensation. Frankreich verkündet die Erfindung der Fotografie und Daguerre wird als ihr Erfinder gefeiert. In dem Moment ist vergessen, dass Niépce es war, der nach jahrelanger Forschung 1827 das erste fotografische Bild erzeugt hat. Und obwohl auch Niépce Verdienste 1839 gewürdigt wurden, stand doch Daguerre im Rampenlicht. Ein Licht, dass so stark blendete, dass sich Victore Fouque 1867 bemüßigt fühlte, sein Buch über Leben und Werk Nièpce mit „Die Wahrheit über die Erfindung der Fotografie“ zu betiteln um gleich im Vorwort zu betonen, dass ein Irrtum, sobald er in der Öffentlichkeit einmal verankert ist, eben als Wahrheit angenommen wird.
Doch Niépce hat noch ein weiteres Schicksal zu tragen. Es gab keine Fotografie, die ihn zeigt. Sein Tod fand in der vorfotografischen Zeit statt. Von Daguerre gibt es Fotos, ebenso von Hippolyte Bayard und William Henry Fox Talbot, zwei weiteren Erfindern der Fotografie. Aber von Niépce – nichts! Eine Zeichnung, die ihn als jungen Mann zeigt, eine Büste, die sein Sohn Isidore nach seinem Tod angefertigt hat, und ein Portrait post mortem, das der Maler Léonard François Berger 1854 angefertigt hatte.
Wir sind stolz diesem Irrtum der Geschichte nun eine Fotografie entgegenhalten zu können, die Joseph Nicéphore Niépce zeigt. Denn wenn wir als Grundlage unserer Vorstellung der physischen Erscheinung des Erfinders der Fotografie ein Ölgemälde nehmen, dass zwanzig Jahre nach seinem Tod gemalt wurde, dürfen wir mit gleicher Berechtigung dazu eine Fotografie nehmen, die hundertachzig Jahre nach seinem Tod fotografiert wurde. Und wenn das Ölgemälde eine idealisierte Form der Darstellung unter Einbeziehung des Geistes ist, so reflektiert eine Fotografie umso mehr den Geist des Niépce – dieses Erfinders, der 1827 eine beschichtete Metallplatte in einer Kamera acht Stunden lang belichtet und damit ein völlig unscharfes, grobstrukturiertes Bild erzeugt, das den Blick aus seinem Fenster zeigt und der überzeugt ist, damit der Welt eines Tages einen großen Dienst erweisen zu können.
Doppelseite mit Büste von Nicéphore Niépce aus dem Buch: „La vérité sur l‘invention de la photographie : Nicéphore Niépce, sa vie, ses essais, ses travaux d‘après sa correspondance et autres documents inédits“ von Victor Fouque, erschienen 1867 im Verlag Ferran
Doppelseite mit Büste von Nicéphore Niépce aus dem Buch: „La vérité sur l‘invention de la photographie : Nicéphore Niépce, sa vie, ses essais, ses travaux d‘après sa correspondance et autres documents inédits“ von Victor Fouque, erschienen 1867 im Verlag Ferran